Conformal Coating Guide 1: Leiterplattenschutz erklärt

Conformal Coating Leiterplattenschutzlack Beschichtung

Im ersten Teil unserer Beitragsreihe zum Conformal Coating erklären wir, welche Arten der Schutzlackierung es gibt, wie der Beschichtungsprozess abläuft und welche Auftragungs- und Messmethoden Ihnen zur Verfügung stehen.

Was ist Conformal Coating?

Früher war Leiterplattenschutz nur wenigen Bereichen vorbehalten, wie zum Beispiel in der Raum- und Luftfahrt, wo sensible Teile extremen Umweltbedingungen ausgesetzt waren. Doch durch zunehmende Vernetzung und Einzug von elektronischen Geräten in viele andere Bereiche, haben sich die Anforderungen an den Schutz kritischer Bauteile verändert. 

Beim Conformal Coating können sensible Elektronikbauteile mit einer dünnen Beschichtung vor Feuchtigkeit, Temperatur, elektrostatischer Ladung und weiteren Umwelteinflüssen geschützt werden. Der Leiterplatten-Schutzlack besteht dabei in der Regel aus einem Harz, das je nach Bedarf mit einem Verdünner vermischt wird, um bestimmte Produkteigenschaften zu erzielen.

Welche Arten von Conformal Coating gibt es?

Zur besseren Übersichtlichkeit werden die vielen Arten von Schutzlackierungen in diesem Artikel in drei Hauptkategorien und zusätzliche Spezialanwendungen unterteilt.

Drei Hauptarten - Silikon, Acryl und Urethan

Silikon

Silikonbeschichtungen bieten gute Schutzeigenschaften in einem sehr weiten Temperaturbereich. Außerdem weißen sie guten Schutz gegen chemische Einflüsse, Feuchtigkeit und Salzwasser auf. Ein weiterer Pluspunkt ist zudem die Materialflexibilität.
Wegen ihrer gummiartigen Eigenschaften schützen Silikonbeschichtungen zwar gegen Vibrationen, nicht jedoch vor Abrieb. Diese Art der Beschichtung wird häufig in feuchten Umgebungen eingesetzt, beispielsweise in der Außenbeschilderung. Die Entfernung gestaltet sich schwierig: Spezielle Lösungsmittel, lange Einwirkzeiten und Ultraschallbad oder Bürste sind notwendig

Acryl

Acrylbeschichtungen sind kostengünstig, bieten relativ gute Schutzeigenschaften und sind simpel in der Installation und Reparatur. Die guten Isolationseigenschaften, der relativ gute Feuchtigkeitswiderstand und die hohe Abriebfestigkeit sprechen für das Material. Da diese Beschichtung jedoch mit Lösungsmitteln einfach entfernbar ist, ist sie nicht für alle Zwecke geeignet (zum Beispiel in der Luftfahrt durch Kerosinkontakt).

Urethan

Urethanbeschichtungen bieten einen exzellenten Feuchtigkeitsschutz und eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber chemischen Einflüssen. Sie sind zudem abriebfest und hochresistent gegenüber Lösungsmitteln. Die Entfernung ist ähnlich schwierig wie bei Silikonbeschichtungen. Wegen der guten Schutzeigenschaften findet sich diese Beschichtung häufig in der Luft- und Raumfahrt wieder.

Weitere Arten: Spezialanwendungen

Epoxidharz (ER - Epoxy Resin)

Die Zweikomponenten-Beschichtungen aus Epoxidharz bilden einen äußerst widerstandsfähigen Schutzlack. Sie zeichnen sich durch sehr gute Feuchtigkeitsresistenz aus und sind im Kontrast zu traditionellen Conformal Coatings undurchlässig. Dadurch bieten sie auch einen guten Schutz gegenüber Chemikalien und Abrieb. Die guten Schutzeigenschaften werden dafür mit schwieriger Entfernbarkeit und geringer Flexibilität „erkauft“. Aufgrund ihrer Beschaffenheit wird Epoxidharz häufig im Potting verwendet, also als Vergussmasse, die das gesamte Bauteil umgiebt, anstatt nur gezielte Bereiche wie im Conformal Coating.

Parylen

Die Beschichtung mit Parylen erfolgt in einer Vakuumkammer durch Verdampfung und Pyrolyse. Die Schutzlackierung weißt hohe Resistenz gegen Feuchtigkeit, Lösungsmittel und Extremtemperaturen auf. Zudem dient sie als Korrosions- und Durchschlagschutz und weißt isolierende Eigenschaften auf. Die Auftragung und Entfernung des Coatings ist aufwändig und nur mit speziellem Equipment möglich.

Nano Coating - Nanobeschichtung

Der Begriff „Nano Coating“ bezeichnet eine besonders dünne Beschichtung, die mittels Spray- oder Tauchtechnik angebracht wird. Die Dicke ist zwar nicht im Nanobereich, wie der Name vermuten lässt, trotzdem wird eine im Vergleich zu anderen Methoden sehr dünne Schicht aufgetragen. Durch die Nanobeschichtung wird eine leichte Resistenz gegenüber Wasser erreicht, um Bauteile vor kurzer Wassereinwirkung zu schützen.

Der Beschichtungsprozess

Die Leiterplattenbeschichtung läuft in folgenden Schritten ab:

Prozess Conformal Coating

In diesem Teil des Conformal Coating Guides werden die ersten drei Schritte genauer erklärt: Reinigung, Maskierung und Beschichtung. Im zweiten Teil werden die nachfolgenden Schritte und häufige Fehler behandelt.

Reinigung

Um optimale Beschichtungsergebnisse zu gewährleisten, ist es unerlässlich, die Leiterplatte gründlich von jeglichen Produktionsrückständen und Verunreinigungen zu reinigen. Insbesondere stellen Flussmittelrückstände ein häufiges Problem dar, das die Qualität der Beschichtung beeinträchtigen kann.

Abhängig von der Art der Kontamination und den spezifischen Anforderungen des Prozesses ist die Auswahl des geeigneten Reinigers von entscheidender Bedeutung. Verschiedene Reinigungsmittel kommen je nach Art der Rückstände und den Materialien der Leiterplatte zum Einsatz, um eine effektive Reinigung zu gewährleisten und eine optimale Haftung der Beschichtung zu ermöglichen.

Maskierung

Die Maskierung ist ein essenzieller Schritt im Beschichtungsprozess von Leiterplatten, der bestimmt, welche Bereiche der Platine von der Beschichtung ausgenommen werden sollen, um eine präzise und kontrollierte Beschichtung zu ermöglichen. Maskierungen sind insbesondere dann notwendig, wenn keine selektiven Beschichtungsmethoden eingesetzt werden.

Zur Markierung stehen verschiedene Technologien und Materialien zur Verfügung, um den Anforderungen verschiedener Anwendungen gerecht zu werden. Zu den gängigen Maskierungsmethoden gehören spezielle Klebebänder, die präzise auf die gewünschten Bereiche aufgebracht werden können, sowie Kappen oder Schablonen, die bestimmte Bereiche der Leiterplatte vor der Beschichtung schützen. Die Auswahl der geeigneten Maskierungstechnik hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Komplexität des Designs, die Art der Beschichtung und die gewünschte Genauigkeit bzw. Geschwindigkeit. Durch die sorgfältige Auswahl und Anwendung der richtigen Maskierungstechnologie kann eine effiziente und zuverlässige Beschichtung gewährleistet werden, die den Anforderungen der jeweiligen Anwendung entspricht.

PCB Coating

Beschichtungsmethoden

Für herkömmliche Beschichtungen gibt es verschiedene Auftragungsmethoden:

Manuelles Sprühen

Bei dieser Methode wird die Beschichtung per Hand mit einer Sprühdose oder einer Handsprüheinrichtung aufgetragen. Sinnvoll ist das vor allem bei niedriger Produktionszahl und/oder fehlendem Automatisierungsequipment. Manuelles Sprühen ist zeitaufwändig, da nicht zu beschichtende Bereiche händisch abgedeckt werden müssen. Außerdem ist diese Methode fehleranfällig und liefert keine einheitlichen Ergebnisse.

Automatisches Sprühen

Hier wird die Leiterplatte auf einem Fließband unter einem Sprühkopf hindurchgeführt. Die nicht zu beschichtenden Bereiche müssen hier nach wie vor abgedeckt werden. Automatisches Sprühen bildet den Mittelweg zwischen manuellem Sprühen und der nächsten Variante – der selektiven Beschichtung.

Selektive Beschichtung

Ein programmierter Sprühkopf beschichtet ausgewählte Bereiche der Leiterplatte automatisiert. Die selektive Beschichtung eignet sich für die Fertigung hoher Stückzahlen, da hier auch die Abdeckung wegfallen kann. Wird ein UV-Lack verwendet, kann durch eingebaute Lampen im Anschluss sofort ausgehärtet werden.

Tauchbeschichtung

Wenn beide Seiten der Leiterplatte beschichtet werden sollen, eignet sich eine Beschichtung im Tauchverfahren. Durch unterschiedliche Tauchgeschwindigkeit und -zeit kann die Beschichtungsdicke variiert werden. Dieses Verfahren eignet sich vor allem für hohe Stückzahlen. Eine großzügige Maskierung bestimmter Bauteile ist hier in der Regel notwendig.

Bürstverfahren

Mit einer Bürste wird die Beschichtung an bestimmten Stellen der Leiterplatte angebracht. Dieses Verfahren wird vor allem zu Reparaturzwecken genutzt. Es ist kostengünstig, die Ergebnisse sind jedoch je nach Anwender sehr unterschiedlich und das Verfahren ist arbeitsaufwändig. 

Messmethoden: Wie dick ist die Beschichtung?

Ein weiterer wichtiger Schritt im Beschichtungsprozess ist die Bestimmung der Dicke. Im Conformal Coating Bereich ist eine Dicke von 25 bis 250 Mikrometern üblich (unterschiedliche Optimalwerte je nach Beschichtungsmaterial). Eine dünnere Beschichtung kann die Schutzleistung beeinträchtigen, eine zu dicke Beschichtung kann zu Fehlern  wie Riss- oder Blasenbildung führen. In diesem Punkt grenzt sich die Leiterplattenschutzlackierung klar von Potting bzw. Vergussverfahren ab, wo das Material deutlich dicker aufgetragen wird. Mit unterschiedlichen Messmethoden kann die Dicke der Beschichtung ermittelt werden, um die gewünschten Schutzeigenschaften zu erzielen:

Nassfilmkamm

Mit einem Nassfilmkamm wird die Dicke durch Eintauchen in die unausgehärtete Beschichtung gemessen. Unterschiedlich lange Zähne geben Auskunft darüber, wie dick das Beschichtungsmaterial aufgetragen wurde. Durch den Prozentsatz an Feststoffen kann anschließend auf die Dicke im ausgehärteten Zustand geschlossen werden.

Mikrometer

Mit digitalen Messschiebern wird eine Messung vor und nach der Beschichtung gemacht. Um die Dicke der Beschichtung auf einer Seite zu erhalten, wird die Dicke der unbeschichteten Leiterplatte von der Dicke nach Aushärtung subtrahiert und das Ergebnis halbiert. Voraussetzung für diese Methode ist eine feste Beschichtung, die sich durch den Druck der Messung nicht verformt.

Wirbelstromprüfung

Mit diesem Messverfahren kann die Beschichtungsdicke sehr genau und zerstörungsfrei gemessen werden. Mithilfe eines Wirbelstromprüfgerätes kann durch ein erzeugtes Magnetfeld die Schichtdicke auf Leiterplatten mit metallischer Backplane oder Metall unterhalb der Beschichtung gemessen werden. Für exakte Messergebnisse muss das Messobjekt außerdem flach liegen.

Ultraschall-Dickenmessung

Bei dieser Methode kann mit einem Ultraschall-Dickenmessgerät die Beschichtungsdicke auch dann gemessen werden, wenn keine metallische Rückseite vorhanden ist. Zur Messung wird ein leitendes Material benötigt, um die Schallwellenübertragung sicherzustellen. Das kann zum Beispiel Wasser oder Propylenglycol sein.

Teil 2: Aushärtung, Entfernung und Fehler

Im zweiten Teil unseres Conformal Coating Guides erklären wir, welche Aushärtemethoden Ihnen zur Verfügung stehen, wie Sie Beschichtungen entfernen können und welche Fehler in der Verarbeitung häufig auftreten. Jetzt lesen!

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